Zum 01. Januar 2022 stieg der gesetzliche Mindestlohn sehr moderat von 9,60 Euro auf 9,82 Euro. Ab dem 01. Juli 2022 gab es dann noch eine größere Anhebung auf 10,45 Euro. Nun folgt in wenigen Tagen ein noch größerer Sprung auf volle zwölf Euro pro Stunde. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht davon aus, dass die Erhöhung knapp über 20 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse oder um die sechs Millionen Menschen in Deutschland erreicht und ihnen ab Oktober 2022 ein höheres Einkommen beschert.
Die Ziele des 2015 eingeführten Mindestlohns
Zuerst sollte mit dem Mindestlohn ein Schutz geschaffen werden, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessenen Niedriglöhnen bewahrt. Vollzeitarbeit sollte sich lohnen und ermöglichen, einen gewissen Lebensstandard in der Nähe der Mitte der Gesellschaft zu führen. Zugleich wirkt der Mindestlohn langfristig auf die zu erwartenden Rentenzahlungen. Sie werden durch den höheren Mindestlohn ebenfalls größer ausfallen – allerdings nicht in gleichem Maß. Die aktuelle Mindestlohnerhöhung von rund 15 Prozent ergibt bei einer Vollzeitbeschäftigung nur etwa 3,5 Prozent mehr Rente, wie der Bundesverband der Rentenberater bereits ausgerechnet hat.
Mehr Geld, aber auch viel mehr Kosten
Der Wunsch oder die Forderung nach zwölf Euro Mindestlohn entstand bei den Sozialdemokraten zu einer Zeit, die nur noch wenig mit den Verhältnissen im Herbst 2022 zu tun hat: Hohen Inflationsraten und explodierenden Energiepreise waren vor einigen Jahren noch kein relevantes Thema. Diese Ereignisse haben jedoch entsprechende Auswirkungen auf die Mindestlohnerhöhung, deren Effekt von den deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten vermindert wird. Plan und Beschluss der Erhöhung beruhten auf der Annahme einer stabilen Wirtschaft und weiterem Wirtschaftswachstum. Hier wäre diese Maßnahme für die meisten Unternehmen relativ leicht verkraftbar gewesen. Jetzt bedeutet sie – mit einer Belastung von rund 1,6 Milliarden Euro für die gesamte Wirtschaft – aber nur weitere Kosten in einem Umfeld, wo den meisten Unternehmen diese ohnehin schon davonlaufen.
Wie geht es mit dem Mindestlohn weiter?
Die aktuelle Mindestlohnerhöhung war ein einmaliges politisches Projekt im Rahmen der Koalitionsverhandlungen der Ampelregierung. Für gewöhnlich bestimmt eine Mindestlohnkommission Höhe oder Erhöhungen des Mindestlohns. Sie besteht aus Arbeitgeber- wie Gewerkschaftsvertretern und nennt Vorschläge zur Anpassung des Lohns. Dies geschieht bei turnusmäßigen Treffen, deren Ergebnisse oder Empfehlungen von der Politik einfach übernommen werden. Das im Sommer 2022 normalerweise fällige Treffen der Kommission entfiel durch den Eingriff der Ampelregierung in den etablierten Prozess. So wird sich die Mindestlohnkommission voraussichtlich erst wieder im Juni 2023 treffen und neue Vorschläge erarbeiten. Weitere Mindestlohnsteigerungen sind dadurch frühestens in zwölf Monaten zu erwarten und dürften angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung eher klein ausfallen.
Ausnahmen beim Mindestlohn
Weiterhin hat nicht jeder Anspruch auf den Mindestlohn:
- Jugendliche unter 18, die keine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen
- altersunabhängig alle Auszubildenden – hier gelten jedoch 2022 und 2023 bestimmte Mindestausbildungsvergütungen
- Praktikanten mit einem Pflicht-Praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung oder bei einem freiwilligen Praktikum, das drei Monate und weniger dauert
- Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer neuen Beschäftigung
- Ehrenamtler
Zugleich gibt es für einige Berufe oder Branchen auch längst höhere Mindestlöhne:
- Für die Gebäudereinigung in Form von Innen- und Unterhaltsreinigung werden ab Oktober 2022 sogar mindestens 13 Euro Stundenlohn gezahlt
- Gerüstbauer erhalten wenigstens 12,85 Euro
- in der Pflege werden selbst ungelernten Kräften seit dem 01. September 2022 mindestens 13,70 Euro pro Stunde gezahlt
- Pflegefachkräfte müssen jetzt sogar mindestens mit 15,40 Euro pro Stunde bezahlt werden.
Noch eine Änderung ab dem 01. Oktober 2022
Außerdem können ab Oktober in geringfügig entlohnten Beschäftigungen – besser bekannt als Mini-Jobs – demnächst nicht mehr nur 450 Euro, sondern 520 Euro verdient werden. Die Erhöhung spiegelt den Anstieg des Mindestlohns wider. Darüber hinaus werden auch die Grenzen für die sogenannten Midi-Jobs mit günstigen Abgaben und besserer Sozialversicherung oberhalb der geringfügigen Beschäftigung ausgedehnt. Sie gelten nun nicht mehr nur für ein Einkommen von bis zu 1300 Euro, sondern für einen Verdienst von bis zu 1600 Euro.
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